Alte Tanzformen und deren Schrittmaterial wurden seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts von bekannten Tanzforschern wie Karl Heinz Taubert, Francine Lancelot, Barbara Sparti u.a. parallel zur Alten-Musik-Forschung rekonstruiert. Die neuen Erkenntnisse fanden bald eine weltweit interessierte Alumni-Schar und leidenschaftliche Tanzszene, die sich seither kontinuierlich mit „Historischem Tanz“ vergangener Jahrhunderte beschäftigt.
Die Tänze und ihre Choreografien stammen von Tanzmeistern verschiedener Epochen, die ihre Kunst in Adels- und Bürgerkreisen weitergaben und Tänze zum selbständigen Lernen auch aufnotierten.
Diesem reichen und unerschöpflichen Kulturgut fühle ich mich seit Jahren verpflichtet und gebe mein Wissen und praktische Erfahrung aus einer langjährigen Bühnentätigkeit in Kursen, Workshops und Referaten weiter.
Romantik
Nach den bürgerlichen Revolutionen in Frankreich und England beteiligte sich das aufstrebende Bürgertum infolge zunehmender Demokratisierung immer mehr an öffentlichen Anlässen und Gesellschaftstanz. Thé dansants, Bälle und weitere festliche Veranstaltungen verlangten nach immer neuen überraschenden Gesellschaftsspielen und Choreografien. Anknüpfend an folkloristische Traditionen entwickelten sich neue Tanzformen wie Anglaise, Ländler, Mazurka, Schottisch, Quadrille, Cotillon, Galopp, Polka, Walzer etc.
Barock & Rokoko
Im ausgehenden 17. Jh. entwickelten Louis Beauchamps bzw. sein Schüler Raoul Auger Feuillet ein System, um Tanz differenziert aufzuschreiben. Diese Notation eroberte später unter dem Namen Beauchamps-/Feuillet-System ganz Europa. Förderer des neuen eleganten Tanzstils um 1700 war König Louis XIV, der selber ein ausgesprochen guter Tänzer gewesen sein soll. Einerseits wurden Tänze für Anlässe choreografiert und notiert, andererseits konnte man auch auf Auftrag einen Tanz in Paris mit entsprechender Musikvorlage bestellen. In dieser Notation sind uns Hunderte von Tänzen erhalten geblieben, die sich sich nach vertieftem Studium bestens rekonstruieren lassen.
Mit dem Regierungswechsel zu Louis XV. kamen in Frankreich Kontratänze in Mode. Quelle dieser einfacheren und freier getanzten Gesellschaftstänze war in erster Linie John Playford und seine Tanzsammlung „The English Dancingmaster“, die 1650 veröffentlicht und vom französischen Tänzer Lorin in Frankreich gelehrt wurden.
Späte Renaissance
Die Zeit des italienischen Manierismus brachte auch wunderbare neue Tanzformen und einen neuen Tanzstil hervor. Die beiden Tanzmeister Cesare Negri und Fabritio Caroso schrieben Ende des 16. Jh. mehrere Tanztraktate mit Beschreibungen von einfachen Tänzen bis hin zu ganzen Balletten. Erstmals wurden in der Tanzgeschichte auch genaue Angaben gemacht zu Schrittpositionen und Schrittlängen und deren differenzierter Ausführung. Dieser Tanzstil erforderte, wie die Italiener meinten, eine gute körperliche Disposition, eine hohe Musikalität und ein ebenso gutes Gedächtnis, um sich die Schrittabfolgen und die Raumfiguren zu merken.
In Frankreich gab 1588 der Geistliche Thoinot Arbeau seine „L’Orchésographie“ heraus. Arbeau hält darin die Tänze fest, die er in seiner Jugend getanzt haben soll. Arbeau-Tänze sind bedeutend einfacher auszuführen als der fast gleichzeitig entstandene italienische Stil.
Frühe Renaissance
Aus dieser Zeit sind uns einerseits der italienische Stil durch Tänze von Domenico da Piacenza und seinen Schülern überliefert und andererseits die französisch-burgundischen Basse-danse-Traktate.
Als erster Tanzmeister in Europa überhaupt gab Domenico ein Tanztraktat heraus, in dem er auch einen tanztheoretischen Teil beifügt. Domenico war hauptsächlich am Hof der Familien Este in Ferrara tätig. Tanztypen dieser Zeit sind Bassadanza Quadernaria, Saltarello und Piva.
In Frankreich wurden im burgundischen Stil vor allem Schreittänze aufgeschrieben. Die Tanznotation erfolgte gemäss obigem Beispiel dadurch, dass die Schrittabkürzungen direkt unter dem Notensystem festgehalten wurden.
Mittelalter
Tänze des Mittelalters können aufgrund der spärlichen Beschreibungen nur über die Tanzmusik, bildliche Darstellungen, sowie aus den hieraus hervorgegangenen späteren Tanzformen abgeleitet werden. Beliebt waren Ronde (Kreistanz) und Farandole (Reigentanz), die mit Geh-, Wechsel- und Hüpfschritten sowie Sprüngen getanzt wurden. Ausgesprochen häufig findet man auch Darstellungen von Totentänzen.